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Nach 57 Jahren kehrten die Rolling Stones im August 2022 in die Berliner Waldbühne zurück. Im Rahmen ihrer „SIXTY-Europe-Jubiläumstour“ trat die Band wieder in der Veranstaltungsstätte auf, in der sie vor 57 Jahren Berliner Geschichte schrieben.

1965: Die Rolling Stones in der Waldbühne

Ankündigung des Rolling Stones Konzerts in der Jugendzeitschrift „Bravo“

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Am 15.09.1965 spielten die Rolling Stones, die damals von der Zeitschrift Bravo als “härteste Band der Welt“ tituliert wurde, ihr erstes Berliner Livekonzert in der Waldbühne. Um die Rolling Stones zu sehen, kamen im September 1965 ca. 22.000 Jugendliche in die ausverkaufte Berliner Waldbühne. Ein Ticket kostete damals 6 bis 8 Mark. Die Nachfrage nach Tickets war so groß, dass tausende Fans am Tag des Konzertes vor der Waldbühne auftauchten und versuchten, Tickets zu ergattern.

Vier Vorbands sollen die wartenden Fans auf die Rolling Stones einstimmen. Was allerdings misslingt und dazu führt, dass Eier und Äpfel auf die Bühnen geworfen werden. Die Stimmung wird aggressiver, als rund 200 Fans ohne Eintrittskarte versuchen, sich an den Sperren und der berittenen Polizei vorbeizukämpfen und in den Innenraum zu drängen.

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Die Rolling Stones in der Berliner Waldbühne

Foto: AP

Als die Rolling Stones um 21:30 Uhr die Bühne betreten, spielen sie den Song „Everybody Needs Somebody To Love“, eine Coverversion des Soul-Sängers Solomon Burke. Währenddessen brechen vor der Bühne Tumulte aus, es ist eng und stickig, verschiedene Fans versuchen, auf die Bühne zu gelangen. Den Stones wird es zu viel und sie ziehen sich zurück, da sie um ihre Sicherheit fürchten. Nach kurzer Zeit kehren sie auf die Bühne zurück und spielen ziemlich lustlos sieben weitere Songs, fast alles Coverversionen bis auf „The Last Time“ und „(I can’t get no) Satisfaction“. Ihr Konzert sollte eine knappe halbe Stunde dauern.

1965 waren die Sicherheitsvorkehrungen für Live-Konzerte noch anders als heute. Es gab weder einen Bühnengraben, Absperrgitter noch Sicherheitspersonal im Bühnenbereich. Lediglich ein paar Polizisten an den Bühnenrändern waren zur Sicherheit vorgesehen.

Sicherheit durch Polizeipräsenz beim Livekonzert der Rolling Stones

Foto: AP

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Nachdem die Rolling Stones die Bühne verlassen haben, fordern die Fans lautstark die Fortsetzung des Konzerts. Doch als den Fans klar wird, dass die Band nicht weiterspielen wird, fühlen sich die Fans betrogen und lassen ihrer Aggression freien Lauf. Es beginnen wütende Proteste, Schlägereien und Sachbeschädigungen. Die Bühne wird gestürmt. Mit der Absicht, das Publikum zu beruhigen, schalten die Veranstalter ohne Vorwarnung das Licht ab und lösen damit ein Chaos aus.

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Fans stürmen die Bühne. Foto: Ullstein

Es ist ein Konzert, das später als ein aus den falschen Gründen legendäres Rockkonzert in die Geschichte eingehen wird: Die Menschen sprangen über Absperrungen und zerstörten die Sitzbänke und schlugen anschließend mit den losen Holzlatten aufeinander ein. Wasserhydranten wurden aus der Erde gerissen, Feuerwerksraketen abgeschossen und die in großen Stapeln herumliegenden Bravo-Hefte angezündet, so dass im Innenraum verschiedene Feuer ausbrachen. Alles was als Wurfgeschoss genutzt werden konnte, wurde aus den Rängen in den Innenraum und auf die Bühne geworfen. Erst als die Polizei Wasserwerfer einsetzte, begann sich das Chaos im Innenraum der Waldbühne aufzulösen. Circa 2000 Jugendliche lieferten sich anschließend eine vier- bis fünfstündige Schlacht mit der Polizei, in und vor der Waldbühne und auf den anliegenden Bahnhöfen.

Die zerstörte Berliner Waldbühne nach dem Rolling Stones-Konzert.

Foto: Ullstein

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Die traurige Bilanz laut einem Bericht der “Berliner Zeitung”: 87 Verletzte, darunter 26 der 369 Polizisten, die an diesem Abend im Einsatz waren, 85 Personen wurden festgenommen. Zudem wurden 17 S-Bahn-Waggons, diverse Autos, Laternen und Scheiben umliegender Wohnhäuser demoliert und die Waldbühne so stark verwüstet, dass sie auf Jahre nicht mehr genutzt werden konnte: verbogene Absperrungen, umgestürzte Laternenmasten, zerstörte Bänke.

Der Tag nach dem Rolling Stones Konzert

Video: NDR

In der Berliner Zeitung vom 18. September 1965 wurde der Sekretär der SED-Berlin und Mitglied des Politbüros Paul Verner mit den Worten zitiert: „Die Ereignisse in der Waldbühne sind Teil der psychologischen Kriegsvorbereitung. Statt einer konstruktiven, die Jugend fördernden Entwicklung bietet man den jungen Menschen fünf geistesschwache ’rollende Steine‘.“

Das letzte Konzert der Rolling Stones ihrer „SIXTY“-Europa-Jubiläumstour

Erst 1982 kamen die Rolling Stones wieder in die Waldbühne, dann erneut 2014. Das aktuelle Konzert 2022 war erneut nach kurzer Zeit ausverkauft, obwohl die Ticketpreise mittlerweile zwischen 238 bis 600 Euro liegen. Für ihre Mega-Konzerte benötigen die Rolling Stones sehr viel Logistik. 40 Sattelschlepper sowie zwei Privatjets transportieren den Musik-Clan mitsamt Technik, zu dem außer den Familien der Stones auch rund 200 Techniker, Controller, Juristen und ein Ärzteteam gehören zu den Auftritten.

Die Rolling Stones 2022

Foto: Carsten Thesing/Imago

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Ende Juni 2022 haben die Rolling Stones bekannt gegeben, dass sie in Berlin den krönenden Abschluss ihrer Tour zelebrieren. Und zwar in einem fast intimen Rahmen, wenn man bedenkt, dass die Stones alle anderen 13 Konzerte als Stadion-Shows gegeben haben.

“Was geht, Berlin!”, rief Mick Jagger den Zuschauern zu und erntete dafür ein begeistertes Johlen. Das Stones-Mastermind schwärmte von Berlin und scherzte: “Nach fünf Schnäpsen war mein Deutsch perfekt.”

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Ausverkaufte Waldbühne am 03. August 2022

Foto: Ina Fassbender / AFP

Im Jahr 1965 spielten in der Waldbühne Mick Jagger, Keith Richards, Bill Wyman, Brian Jones und Charlie Watts. Heutzutage begrüßte das Publikum sehr herzlich Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood. Die Sixty-Tour ist die erste ohne Charlie Watts. „Wir vermissen ihn sehr“, sagt Mick Jagger. Und fügt auf Deutsch hinzu: “Diese Show widmen wir Charlie.”

Das Konzert in der Waldbühne schlossen die Rolling Stones mit einer Kanonade großer Hits wie “Jumping Jack Flash” und “Sympathy For The Devil”. In Berlin endete die “Sixty”-Tour und vielleicht war es ja die letzte Show der Stones in Deutschland überhaupt.